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Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbandes eMobilität e.V.
BEM e.V.

Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbandes eMobilität e.V.

Interview mit Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbandes eMobilität e.V.


Die Elektromobilität braucht starke Verbündete, denn noch verzögern Widerstände und Vorbehalte in Deutschland, aber auch auf internationaler Ebene, eine starke Verbreitung von Elektrofahrzeugen. Der Bundesverband eMobilität e.V. ist die größte und einflussreichste Interessensvertretung von Forschungseinrichtungen und entwickelnden sowie produzierenden Unternehmen aus dem Bereich der Elektromobilität im deutschsprachigen Raum. Neben zahlreichen und vielfältigen Aktivitäten und Veranstaltungen stellt der Bundesverband seinen Mitgliedern in Kooperation mit der WTI-Frankfurt eG die Wissensdatenbank zur Elektromobilität 'TEMotive' zur Verfügung und gibt vierteljährlich das Fachmagazin 'Neue Mobilität' heraus.

 

eMobilitätOnline: Herr Sigl, Sie sind Präsident des Bundesverbandes eMobilität – wann wurde der BEM gegründet und welche konkreten Ziele verfolgt er?


Kurt Sigl: Gegründet wurde der Bundesverband eMobilität im August 2009. Seitdem setzen wir uns dafür ein, die Mobilität in Deutschland mit dem Einsatz Erneuerbarer Energien auf Elektromobilität umzustellen. Zu unseren primären Aufgaben gehört vor diesem Hintergrund vor allem die Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Förderung der öffentlichen Wahrnehmung für Elektromobilität und innovative Verkehrskonzepte von morgen sowie die Vernetzung  Vernetzung der Akteure aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft sowie die öffentliche Wahrnehmung der Elektromobilität zu steigern.

 

Wie kann man sich Ihren Alltag als Verbandspräsident vorstellen? Handelt es sich um Ihre hauptberufliche Tätigkeit oder um ein umfassendes Ehrenamt?


Meine Tätigkeit im Bundesverband ist ein Ehrenamt, das mir am Herzen liegt - übrigens gilt das auch für meine zwei Vorstandskollegen Christian Heep und Michael Hofmann. Der Alltag gestaltet sich angesichts der Fülle an Aufgaben sehr vielfältig - von zahlreichen Terminen im gesamten Bundesgebiet sowie bei europäischen Partnern, über die Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen als Redner und Podiumsgast bis hin zur konzeptionellen Arbeit mit unserem Team in Berlin. Daneben stehe ich in ständigem Kontakt zu unserem politischen und wissenschaftlichen Beirat sowie zu unseren Mitgliedern. Denn nur durch einen konstruktiven Austausch, können wir für und mit unseren Mitgliedsunternehmen etwas bewegen.

Die ständige Einbindung unserer Mitglieder in die verschiedensten BEM-Aktionen, Veranstaltungen, Messen, Events und Projekte ist eine unserer wichtigsten tagespolitischen und medialen Aufgaben. Unsere Mitgliedsunternehmen sind das wichtigste Potential des Bundesverbandes. Darüber hinaus sorgen wir dafür, dass grundlegende Fragestellungen im Sinne einer nachhaltigen, möglichst auf heimischer Wertschöpfung basierenden, intelligenten Mobilität geklärt werden.

 

Sie üben also nebenher keine andere berufliche Tätigkeit aus?


Meinen Brotwerwerb erziele ich, wie schon immer in meinem Leben, durch Fahrsicherheitstrainings für die freie Wirtschaft. Dem Thema Mobilität bin ich also schon Zeit meines Lebens verbunden. Gesteuert wird das im Detail aber von meinem Büro in Ingolstadt, darum muss ich mich nicht täglich kümmern. Aber damit es keine Irritationen gibt: Die Satzung sieht auch vor, dass der Bundesverband, sobald er finanziell auf sehr soliden Beinen steht, den Vorständen monatlich 5 Reisetage vergütet. Unser Engagement für den BEM wird also nicht für immer rein ehrenamtlich bleiben.

 

Der BEM sieht sich als Interessenvertretung einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Mobilität - abgesehen von der Etablierung der Elektromobilität: An welchen konkreten Projekten von öffentlichem Interesse arbeitet der BEM aktuell bzw. ist daran beteiligt?

 

Wir arbeiten im Moment an einigen Projekten, u.a. in enger Kooperation mit Österreich, wo wir uns - sofern wir den Zuschlag erhalten - als Kommunikationspartner an einem größeren Leuchtturmprojekt beteiligen werden. Daneben gibt es noch jede Menge anderer Projekte - alle aufzulisten, würde den Rahmen dieses Gesprächs sprengen. Um vielleicht noch eine spannende Idee herauszupicken: Wir möchten gern im kommenden Jahr mit einem Ausstellungsschiff mit einer permanenten Ausstellung zum Thema Neue Mobilität in 26 Häfen in Deutschland und Österreich Halt machen.

 

Sie haben vorhin Österreich erwähnt, d.h. die Aktivitäten des Bundesverbandes beziehen sich nicht nur auf Deutschland?


Das stimmt. Wir - und hiermit spreche ich immer auch für unsere zahlreichen Mitgliedsunternehmen - stellen uns nach und nach immer internationaler auf. Denn Mobilität ist nicht auf nationale Grenzen beschränkt. Wir haben bereits BEM-Vertreter in Brüssel und China. Dazu kommen zahlreiche Partner in Europa. Es geht darum, den Austausch sukzessive weiter auszubauen und deutschen Firmen die Möglichkeit zu bieten, auch international auf dem Zukunftsmarkt der Neuen Mobilität Fuß zu fassen und umgekehrt. Konkret fungieren wir also als Mittler zwischen nationalen und internationalen Firmen unterschiedlichen Formats.

 

Welche Vorzüge hat eine Mitgliedschaft im BEM? Wer kann alles Mitglied werden und wie viele Mitglieder zählt der BEM aktuell?

 

Wir vertreten inzwischen mehr als 160 Mitgliedsfirmen mit einem Umsatzvolumen von mehr als 50 Milliarden Euro und 500.000 Mitarbeitern weltweit. Aber auch Einzelpersonen können eine Mitgliedschaft beantragen, wenn sie Interesse an der Elektromobilität haben und den Bundesverband aktiv unterstützen möchten. Die Mitgliedsbeiträge sind in unserer Satzung geregelt und liegen für Privatpersonen mit 150 Euro pro Jahr freilich unter denen für Unternehmen. Es handelt sich dabei um eine Art Fördermitgliedschaft, die aktuell von 50 bis 60 Einzelpersonen genutzt wird.

Der Kern unserer täglichen Bemühungen liegt in der erfolgreichen Vernetzung unserer Mitglieder und Partner, um nachhaltig erfolgreiche Geschäftsmodelle im Bereich der Neuen Mobilität zu generieren und starke Netzwerke zur Durchsetzung politischer Forderungen zu etablieren. Auf diesem Wachstumsmarkt agieren zahlreiche Akteure aus sehr unterschiedlichen Branchen, die bis dato keine oder nur sehr wenige gemeinsame Anknüpfungspunkte haben und deshalb unsere Hilfestellung bei der Initiierung gemeinsamer Projekte gern annehmen. Als Sprachrohr der Branche kommunizieren wir mit und für unsere Mitglieder.

Es gibt viele kleine und mittelständische Unternehmen, die bereits jetzt sehr viel im Bereich der Neuen Mobilität auf die Beine stellen, nur weiß davon niemand. Wir machen die Arbeit und das Engagement unserer Mitglieder sichtbar und binden sie in verschiedene mediale und politische Netzwerke ein. Daneben eröffnen sich zahlreiche Teilnahmemöglichkeiten an interessanten und wichtigen Events, Symposien und Kongressen. Wir stellen Kontakt her zu unseren Beiräten, deren Rat und Expertise unsere Mitglieder nutzen können, sowie zu Handelsvertretungen, um Hilfe bei verschiedenen Projekten zu bekommen. Zudem geben wir Hilfestellung bei der Beantragung von Fördermitteln - um nur ein paar der Vorteile einer Mitgliedschaft im BEM zu nennen.

 

Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Elektromobilität in Deutschland und die Entwicklung in naher Zukunft?


Gerade im mittelständischen Bereich können wir eine unheimliche Dynamik feststellen. Zahlreiche technische Innovationen und Neuerungen gehen vor allem auf unseren starken Mittelstand zurück. Nicht ganz so positiv sehen wir die Entwicklungen im Bereich der Automobilindustrie: Die OEMs haben geschlafen. Hier wird aktuell versucht aufzuholen. Eine Ausnahme bildet hier vielleicht der elektrifizierte Smart - wir sind gespannt, was die anderen bis 2014 liefern werden. Auch in der Speichertechnologie und bei den Speichermedien gibt es noch einiges an Nachholbedarf, was übrigens nicht nur das Vorankommen der Elektromobilität erleichtern würde, sondern auch den gesamten Bereich der Erneuerbaren Energien. Aber insgesamt sehen wir die Entwicklung sehr positiv und gerade die Automobilindustrie wird in diesem Jahr einen kräftigen positiven Schub durch die Internationale Automobil Ausstellung erfahren. Dort werden die deutschen Autobauer nicht nur Showcars präsentieren, sondern auch Fahrzeuge, die 2014, 2015 in Serie gehen.

 

Dann können Sie also den immer lauter werdenden Stimmen, die den Durchbruch der Elektromobilität anzweifeln, nichts abgewinnen?


Nein, dem kann ich gar nichts abgewinnen! In 90 Prozent aller Fälle beruhen solche Berichte auf schlechter Recherche. Das muss ich schon ganz klar so sagen, ich war selbst einige Jahre als Motorjournalist tätig und finde es fürchterlich, was da teilweise unkritisch aus Pressemitteilungen der OEMs übernommen wird. In Deutschland wird zu häufig nur über Autos gesprochen, was in der Natur der Dinge liegt, wenn jeder siebte Arbeitsplatz von der Automobilindustrie abhängt. Aber die Spielfelder der Elektromobilität sind wesentlich größer und breiter. Wir gehen mit der eMobilität einen großen Schritt weiter in Richtung Neue Mobilität: Das betrifft den ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr, Anm. eMobilitätOnline) sowie die Verbindungselemente, die zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln und den individuellen Verkehrsteilnehmern geschaffen werden müssen, z.B. der Bahn, dem Carsharing bis hin zum Dienstfahrrad. Da gibt es einfach grenzenlose Möglichkeiten und da werden in den nächsten Monaten auch völlig neue Player mit ins Spiel kommen. Telekom, Vodafone oder Google bspw. haben ein großes Interesse daran, in diesem Bereich ihre Dienstleistungen an die Frau und an den Mann zu bringen. Ein einziges großes Unternehmen alleine wird hier nichts stemmen können, das geht nur über Kooperation. Das wird ganz schnell eine unheimliche Dynamik entwickeln. 

 

Eine persönlich Frage am Schluß: Fahren Sie selbst ein Elektroauto?


Ja, ich fahre einen Opel Ampera, auch wenn es kein reines Elektroauto ist, da es über einen Range-Extender verfügt. Wenn ich nicht gerade mit der Bahn oder auch mal zwangsläufig mit dem Flugzeug auf Dienstreise bin, komme ich in meinem Alltag sehr gut damit zurecht. Die rein elektrische Reichweite beträgt 70 Kilometer und das reicht aus, um nahezu alle Fahrten rein elektrisch zurück zu legen. Ich komme, wenn ich meine Dienstfahrten mit einrechne, auf einen durchschnittlichen Verbrauch von 2,8 bis 2,9 Liter, das ist schon sensationell. Für den Stadtverkehr genügt aber allein der Elektromotor, den ich mit Strom aus meiner eigenen Photovoltaik-Anlage speise. Seit April letzten Jahres bin ich mit diesem Fahrzeug rund 35.000 Kilometer gefahren, es funktioniert alles tadellos. In der Stadt nutze ich für kleinere Erledigungen manchmal auch gerne das E-Bike oder den Elektroroller. Dies betrifft übrigens die ganze Familie: Meine Frau wird sich demnächst einen Renault Twizy zulegen und wenn mein Sohn bald seinen Führerschein macht, wird noch ein Renault ZOE den Familienfuhrpark ergänzen.
Wenn man so ein Amt innehat, muss man es auch vorleben, das ist meine Überzeugung. Und es ist ja für viele im Alltag auch einfach leistbar, meist werden ja die immer gleichen Strecken gefahren, dafür braucht niemand ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. In Deutschland gibt es ungefähr 11 Millionen Zweit- und Drittfahrzeuge, die am Tag nicht mehr als 30 Kilometer fahren. Hier müssen wir ganz pragmatisch ansetzen, dies ist der einfachste Anfang. Auch die mangelnde Infrastruktur ist meines Erachtens ein unbegründetes Argument: In den letzten 10 Monaten habe ich meinen Ampera vielleicht drei oder vier Mal an einer Ladesäule geladen, ansonsten stecke ich ihn jeden Abend an meiner Wallbox ein und ziehe ihn morgends wieder heraus – dies ist im Prinzip nichts anderes, was wir jeden Tag auch mit unseren Smartphones machen.

 

Vielen Dank für das Interview!


Mehr Informationen zum Bundesverband eMobilität e.V. und seinen Aktivitäten finden Sie hier.

 

 

 

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